Vorsorgevollmachten sind wichtig, wenn ältere Menschen selbst nicht mehr in der Lage sind, sich um ihre Angelegenheiten zu kümmern. In den letzten Jahren ist jedoch ein extremer Anstieg von Missbrauchsfällen im Zusammenhang mit Vorsorgevollmachten zu verzeichnen. Eine typische Fallkonstellation, auch in meiner Kanzlei, ist die, dass von mehreren Geschwistern, die zusammen Erben eines Elternteils (oder wie im Fall hier einer Tante) geworden sind, einer eine solche Vollmacht hatte. Die anderen Geschwister glauben nun, ob berechtigt oder nicht, derjenige habe schon vor dem Tod des Elternteils mit der Vorsorgevollmacht große Teile des Vermögens in unredlicher Weise auf die Seite gebracht.
In solchen Fällen kann in der Regel Rechnungslegung bzw. Rechenschaft über seine Vermögensverwaltung von dem Bevollmächtigten verlangt werden . Das hat zur Folge, dass sämtliche Beträge, die nicht nachweislich im Sinne des Vollmachtgebers etwa vom Konto abgehoben wurden, in die Erbmasse zurückzuzahlen sind. Siehe hierzu auch: https://rechtsanwalt-lahrmann.de/betreuungsrecht-vorsorgerecht/missbrauch-von-vorsorgevollmachten/
Das OLG Brandenburg hat letztes Jahr in einem Urteil ausführlich zu den Voraussetzungen einer solchen Rechnungslegungspflicht Stellung genommen (Urteil vom 2.4.2019 – 3 U 39/8). Im Streit lagen zwei Brüder, die gemeinsam Erben ihrer Tante geworden sind. Einer von beiden hatte seit vielen Jahren eine Vorsorgevollmacht, mit der er in den letzten zwei Jahren die Geschäfte der Tante erledigt hatte, nachdem diese in ein Pflegeheim kam. In dieser Zeit hob er unberechtigterweise mit der Vollmacht Geld vom Konto der Tante ab und war hierzu vom Amtsgericht wegen Betruges rechtskräftig verurteilt worden.
Der andere Bruder klagte in Form einer Stufenklage auf Auskunft und Rechenschaft über die Verwaltung des Vermögens der Verstorbenen durch den Bevollmächtigten sowie in der zweiten Stufe auf Rückzahlung der sich aus der Auskunft ergebenden Beträge. Der Beklagte wandte hiergegen ein, zwischen ihm und seiner Tante bestand aufgrund eines besonderen Vertrauensverhältnisses kein Auftragsverhältnis mit Rechtsbindung, sondern ein reines Gefälligkeitsverhältnis.
Tatsächlich ist die Abgrenzung von einem Auftragsverhältnis zu einem bloßen Gefälligkeitsverhältnis entscheidend für die Frage, ob es eine Rechnungslegungspflicht gibt. Denn nur bei einem Auftragsverhältnis ist diese gegeben, bei einem reinen Gefälligkeitsverhältnis nicht. Dabei komme es, so das Gericht, darauf an, wie sich dem objektiven Beobachter das Handeln des Leistenden darstelle. Ein Auftragsverhältnis mit sogenanntem Rechtsbindungswillen sei insbesondere dann zu bejahen, wenn für den Auftraggeber wesentliche wirtschaftliche Interessen auf dem Spiel stehen. Ein besonderes persönliches Vertrauensverhältnis spreche grundsätzlich nicht gegen einen Auftrag, denn ein besonderes Vertrauensverhältnis ist zwischen den Beteiligten in solchen Fällen die Regel. Wenn ein Familienangehöriger Geldgeschäfte für einen anderen Familienangehörigen erledige, würde man daher im Regelfall von einem Auftrag mit rechtlicher Bindung ausgehen müssen. Eine abweichende Bewertung könne nur ausnahmsweise und aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls in Betracht kommen. So habe der Bundesgerichtshof bereits entschieden, dass bei einer Bevollmächtigung des Ehegatten normalerweise von einem Gefälligkeitsverhältnis und nicht von einem Auftrag auszugehen ist. Diese Rechtsprechung lasse sich, so das OLG, jedoch nicht auf andere Familienkonstellationen übertragen.
Im vorliegenden Fall sah das OLG keine besonderen Umstände, aus denen sich ergeben würde, dass im Verhältnis zwischen dem Beklagten und der Tante die Rechenschaftspflicht entfallen sollte. Der Beklagte könne auch nicht mit Erfolg einwenden, dass die Verstorbene auf die Rechnungslegung verzichtet habe. Da der Auskunftsanspruch ein Anspruch des Vollmachtgebers ist, der mit dem Tod auf die Erben übergeht, würde sich ein solcher Verzicht des Auftraggebers auf das Verhältnis zwischen den Erben auswirken. Ein stillschweigender Verzicht auf die Auskunftserteilung und Rechnungslegung könne zwar unter Umständen angenommen werden, wenn der Auftraggeber während einer langjährigen Vermögensverwaltung niemals Rechnungslegung verlangt habe. Das sei hier jedoch nicht der Fall. Der Beklagte hatte auch eingewandt, dass die Tante mündlich auf eine Rechnungslegung verzichtet hätte. Ob dies nun tatsächlich so war, darauf kam es nach Ansicht des Gerichts nicht mehr an. Denn trotz eines möglichen Verzichts des Auftraggebers könne die Rechnungslegung dann trotzdem verlangt werden, wenn sich im Nachhinein Zweifel an der Zuverlässigkeit des Bevollmächtigten aufdrängen. Das sei hier der Fall, da der Beklagte unstreitig wegen Betruges zum Nachteil der Erblasserin verurteilt worden sei.
Der Beklagte wurde dementsprechend zur Auskunft und Rechnungslegung verpflichtet. (Quelle: ErbR, 8/2019, Seite 521).