Die Benachteiligung von Frauen aufgrund gesellschaftlicher oder juristischer Strukturen ist ein immer aktuelles Thema, das heiß diskutiert wird. Während beispielsweise ungleiche Bezahlung am Arbeitsplatz oder sprachliche Diskriminierung in aller Munde sind, wird in diesem Zusammenhang eher weniger an das Erbrecht gedacht.
In einem aktuellen Artikel (Muscheler, Der Testierwille und das Brieftestament, ErbR 3.2023, S. 186 ff.) weist der Autor auf eine bestehende Diskriminierung von Frauen bei der Testamentsauslegung in der Rechtsprechung hin. In dem Artikel geht es unter anderem um die Wirksamkeit von Brieftestamenten, etwa wenn der Erblasser oder die Erblasserin ein Schriftstück aufsetzt, dass nicht deutlich erkennbar als Testament gestaltet ist, sondern in Briefform, aber ansonsten die formellen Voraussetzungen eines Testamentes, etwa die Handschriftlichkeit, erfüllt und auch eine Regelung zum Nachlass enthält. Etwa Formulierungen wie „Liebe Kinder, … es ist mein Wunsch, dass … Eure Mutti“. Der Autor zählt eine ganze Reihe von Gerichtsurteilen auf, in welchem sogenannte Brieftestamente mit solchen Bitten nicht als Testamente von den Gerichten anerkannt wurden. Häufig mit dem Argument, dass aus dem ausausgesprochenen Wunsch nicht zwingend der (Testier)wille folgt.
Der Autor führt dann dazu aus „In ihrer deutlichen Mehrheit waren die fraglichen Dokumente von Frauen verfasst. Frauen formulieren anders als Männer, zahlreiche Studien erweisen es. Das gilt für die gesprochene Sprache wie für die geschriebene. Frauen und Männer sprechen dieselbe Sprache, aber sagen in dieser Sprache nicht dasselbe. Auch in ihren Testamenten wenden sich Frauen oft noch ein letztes Mal an die Hinterbliebenen, reflektieren ein letztes Mal die Beziehung, sprechen über Gefühle, teilen eher Wünsche mit, als dass sie Anordnungen aussprechen, bitten um die Wahrung familiärer Eintracht. Auch das Testament ist ihnen ein Medium letzter Kommunikation. Nicht von ungefähr stammen viele Brieftestamente von Frauen. Unser Thema berührt damit zugleich die allgemeine Problematik ‚Recht Sprache und Gendern‘. Wer Wünsche und Bitten für rechtlich unbeachtlich erklärt, diskriminiert nicht nur die Form des eigenhändigen Testamentes, sondern auch die weibliche Testatorin.“
Dem kann man eigentlich nichts hinzufügen. Eine größere Sensibilität der Rechtsprechung in diesem Punkt wäre sicher wünschenswert. Das Beste ist aber, sich bei der Regelung seines Nachlasses professionelle Hilfe, etwa bei einem Rechtsanwalt, zu holen!