Das OLG Zweibrücken hat in einer aktuellen Entscheidung (Urteil vom 01.09.2020 – 5 U 50/19 -) zum Fristbeginn im Rahmen der Pflichtteilsergänzungsansprüche bei Schenkungen Stellung genommen. Hintergrund ist die sogenannte Genussrechtsprechung des BGH. Dieser hatte mit Urteil vom 29.06.2016. festgestellt:
„Behält sich der Erblasser bei der Schenkung eines Grundstücks ein Wohnungsrecht an diesem oder Teilen daran vor, so kann hierdurch […] der Beginn des Fristlaufs gem. § 2325 Abs. 3 BGB gehindert sein.“
Wird ein gesetzlicher Erbe, in der Regel ein Kind des Erblassers, durch ein Testament von der Erbfolge ausgeschlossen, also enterbt, so kann er immer seinen Pflichtteil verlangen. Um zu verhindern, dass der Pflichtteil durch Schenkungen des Erblassers zu Lebzeiten ausgehöhlt wird, steht dem Pflichtteilsberechtigten ein sogenannter Pflichtteilsergänzungsanspruch zu. Für den Pflichtteilsberechtigten bedeutet dies, dass die Höhe seines Pflichtteilsanspruchs so berechnet wird, als wäre der verschenkte Gegenstand noch Teil des Nachlasses.
Schenkungen, die mehr als 10 Jahre zurückliegen, finden hierbei jedoch keine Berücksichtigung mehr. Problematisch ist, ob und wann diese Zehnjahresfrist zu laufen beginnt. Nach dem Wortlaut des Gesetzes beginnt die Frist mit der „Leistung des verschenkten Gegenstandes“. Bei Immobilien ist dies eigentlich die Umschreibung im Grundbuch. Hiervon hat der BGH mit der oben genannten Entscheidung jedoch eine Ausnahme festgelegt. Nur die Umschreibung des Eigentums ist nicht ausreichend, der Schenker muss auch auf die Nutzung des verschenkten Gegenstandes verzichten; er darf nicht mehr in den Genuss der Nutzung des Gegenstandes kommen. Das ist dann nicht der Fall, wenn der Schenker sich z.B. ein umfassendes Wohnrecht an der Immobilie vorbehält.
Diese Folge wurde häufig nicht beachtet, sodass eine Nachlassplanung, bei der etwa einem Kind zu Lebzeiten die elterliche Immobilie übertragen wurde, damit dieses Kind nach dem Erbfall nicht an seine Geschwister eine Zahlung zur Abgeltung des Pflichtteils leisten muss, gründlich fehlgeschlagen, wenn sich die Eltern ein Wohnrecht an der Immobilie vorbehalten haben.
Das OLG Zweibrücken hat nun entschieden, dass die Immobilienschenkung eines Erblassers bei der Berechnung des Pflichtteilsanspruchs nach 12 Jahren keine Berücksichtigung mehr findet, auch wenn sich der Erblasser ein Wohn- und Rückforderungsrecht vorbehalten hat. In dem entschiedenen Fall hatte sich der Erblasser allerdings nur ein Wohn- und Nutzungsrecht an der Wohnung im Erdgeschoss der Immobilie vorbehalten. Die Wohnung im Obergeschoss stand dem Beschenkten zur freien Verfügung. Bezieht sich das Wohn- und Nutzungsrecht auf mehr als 50 % der Immobilie, so dürfte die Zehnjahresfrist nicht zu laufen beginnen, bei weniger als 50 % der Immobilie sei von dem Beginn der Frist auszugehen, so das OLG.
Diese Entscheidung ist für die Praxis der Nachlassplanung von großer Bedeutung. Denn nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofes war lange Zeit unklar, wie die Rechtslage in Bezug auf den Fristablauf ist, wenn der Schenker sich nur ein Wohnrecht an einem Teil der Immobilie vorbehält.