Im Bereich des Unterhaltsrechts gibt es seit dem 01.01.2008 grundlegende Veränderungen, die praktisch von großer Bedeutung sind. Nachdem das Gesetz jahrzehntelang von der Hausfrauenehe ausging, wurde die Rechtslage nun an das moderne Familienbild angepasst, bei dem oft beide Partner arbeiten. Jeder soll nach der Scheidung soweit möglich erwerbstätig sein und für sich selbst sorgen. Das neue Unterhaltsrecht will außerdem das Kindeswohl fördern und die Zweitfamilien mit Kindern wirtschaftlich besser stellen. Künftig haben daher die Unterhaltsansprüche der Kinder Vorrang gegenüber den Ansprüchen früherer Partner.
Im Unterhaltsrecht ist zu unterscheiden zwischen Trennungsunterhalt, nachehelichem Unterhalt, Betreuungsunterhalt und Kindesunterhalt.
Trennungsunterhalt
Trennungsunterhalt erhält der bedürftige Ehepartner im Fall der Trennung. Der Anspruch endet in jedem Fall mit der Scheidung.
Nachehelicher Unterhalt
Nachehelicher Unterhalt kommt in Betracht, wenn ein Ehepartner auch nach der Scheidung unterhaltsbedürftig ist. Er beläuft sich in der Regel auf 3/7 des Nettoeinkommens, jedoch unter Berücksichtung von 1.200 € Mindestselbstbehalt des Unterhaltspflichtigen.
Keine Lebenstandardgarantie mehr
Hier greifen jedoch maßgebliche Änderungen: So gibt es keine sogenannte Lebenstandardgarantie mehr. Der geschiedene unterhaltsbedürftige Ehegatte kann sich nicht mehr darauf verlassen, lebenslang am Einkommen des ehemaligen Partners teilhaben zu dürfen. Das entspricht dem gewandelten Ehebild: Heutzutage werden Ehen nicht mehr geschlossen, „bis das der Tod Euch scheidet“. Statistisch gesehen müssen die Ehepartner zu fast 50 % mit dem Scheitern rechnen und ihre Erwartungen entsprechend herunterschrauben. Das Grundprinzip der nachehelichen Solidarität, auf dem ein Unterhaltsanspruch basiert, wird von dem stärker gewichteten Grundprinzip der Eigenverantwortung aufgehoben.
Die Befristung nachehelichen Unterhalts
Deshalb kann der nachehelichen Unterhalt heute oft befristet werden. Denn mit Schaffung des neuen § 1578 b BGB hat der Gesetzgeber die Möglichkeit erweitert, nachehelichen Unterhalt zu beschränken und zeitlich zu befristen. Zeitliche Befristung bedeutet, dass der Unterhalt nicht mehr grundsätzlich lebenslang gezahlt wird, sondern nur noch für einen bestimmten, vom Gericht festgelegten Zeitraum.
Entscheidend für eine Befristung ist, ob der Unterhaltsberechtigte sogenannte ehebedingte Nachteile erlitten hat. Je weniger ehebedingte Nachteile vorhanden sind, um so eher kommt eine zeitliche Begrenzung der Unterhaltsansprüche in Betracht. Von ehebedingten Nachteilen spricht man, wenn der Unterhaltsberechtigte auf Grund der Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes oder der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe in seiner Erwerbsbiografie schlechter da steht, als er es ohne die Ehe stünde. Wer also seinen Beruf aufgegeben hat, um sich um die gemeinsamen Kinder zu kümmern oder um den ehelichen Haushalt zu führen, und deshalb nun ohne einen angemessenen Arbeitsplatz da steht, der wird diese ehebedingten Nachteile für sich in Anspruch nehmen können. Ehebedingte Nachteile werden aber verneint, wenn ein Einkommensunterschied zwischen den Eheleuten nach der Ehe auf einem unterschiedlichen Ausbildungsniveau beruht, das schon bei der Hochzeit bestanden hat. Wer also seine Karriere zu Gunsten von Kindern und Familie aufgegeben hat, dessen Unterhaltsansprüche unterliegen keiner Befristung. Wer allerdings ohne Ausbildung oder mit einem Job auf niedrigerem Qualifikationsniveau heiratet, der muss im Falle der Scheidung damit rechnen, dass seine Anteilnahme am besseren Einkommen des Ehegatten befristet wird.
Von praktisch großer Bedeutung ist in solchen Fällen die Beweislast. Natürlich ist es schwierig, hypothetisch zu ermitteln, wie die Erwerbsbiografie einer Person verlaufen wäre, wenn sie sich nicht Kindern und Familie gewidmet hätte. Gemäß einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs (NJW 2010, 1813/1793) kann sich der Unterhaltsschuldner zunächst darauf beschränken, das Vorliegen von ehebedingten Nachteilen auf Seiten des Unterhaltsgläubigers zu bestreiten. Es ist dann Sache des Unterhaltsberechtigten, konkret darzulegen, welche ehebedingten Nachteile durch die Ehe entstanden sein sollen. Diesen konkreten Vortrag kann der Unterhaltsschuldner dann ggf. widerlegen. Aus Sicht des Unterhaltsschuldners ist es also ausgesprochen wichtig, zunächst einmal ehebedingte Nachteile pauschal zu bestreiten, um eine Befristung der ihn treffenden Unterhaltspflicht zu erreichen. Auf Seiten des Unterhaltsberechtigten ist es dagegen von großer Bedeutung, eventuelle ehebedingte Nachteile möglichst konkret darzulegen, um eine Befristung der Unterhaltsansprüche abzuwenden. Etwaige Fehler, die hier im Prozess gemacht werden, sind später nicht mehr gut zu machen. Und das, obwohl hier über die finanzielle Situation der Betroffenen oft bis zum Lebensende entschieden wird.
Berücksichtigung zusätzlicher Altersvorsorge beim Unterhalt
Maßgeblich für die Höhe des Unterhalts ist das Nettoeinkommen des Unterhaltspflichtigen. Nach Abzug der Kosten für Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung können jedoch vom Nettobetrag noch Aufwendungen für eine zusätzliche Altersvorsorge abgezogen werden. Denn durch die zunehmende Bedeutung der privaten Altersvorsorge ist mittlerweile anerkannt, dass jeder in angemessenem Maß eine ergänzende Altersvorsorge betreiben darf. Anderes kann aber bei sehr engen wirtschaftlichen Verhältnissen gelten, der notwendige Bedarf des Unterhaltsberechtigten muss auf jeden Fall gedeckt sein.
Der Unterhaltspflichtige kann sein für die Unterhaltsberechnung maßgebliches Einkommen durch Ausgaben für eine private Altersvorsorge in Höhe von bis zu 4 % des Bruttoerwerbseinkommens des Vorjahres senken. Selbständige können eine Altersvorsorge sogar in Höhe des Beitragssatzes der gesetzlichen Rentenversicherung von aktuell 19,9 % zuzüglich der ergänzenden 4 % betreiben, insgesamt also fast 24 % ihres Bruttoerwerbseinkommens für die Altersvorsorge abziehen. Voraussetzung ist aber, dass die Beträge tatsächlich in irgendeine Form der Altersvorsorge fließen; das kann auch eine Kapitallebensversicherung sein.
Durch die Schaffung so einer zusätzlichen Altersvorsorge lassen sich besonders im Ehegattenunterhalt die tatsächlich zu leistenden Unterhaltsbeträge durch Senkung des Nettoeinkommens nicht unbeträchtlich vermindern, weil der ehemalige Ehepartner einen Anspruch auf 3/7 des Nettoeinkommens hat. Im Kindesunterhalt kann der Abzug der Aufwendungen für die private Altersvorsorge zu einer niedrigeren Einstufung im Rahmen der Düsseldorfer Tabelle führen.
Betreuungsunterhalt
Wer ein Kind betreut und deshalb nicht arbeitet, hat gegenüber dem anderen Elternteil einen Anspruch auf Betreuungsunterhalt. Dieser kann bei ausreichendem Einkommen des Unterhaltspflichtigen zusätzlich zum Kindesunterhalt nach der Düsseldorfer Tabelle (siehe unten) verlangt werden. Allerdings wird Betreuungsunterhalt im Regelfall nicht mehr so lange zu zahlen sein wie vor der Reform, als das 8. Lebensjahr des Kindes als starre Grenze galt. Nun wird stärker der Einzellfall zu Grunde gelegt und geprüft, ob etwa örtliche Betreuungsmöglichkeiten wie Kindergärten oder Ganztagsschulen für die Kinder zur Verfügung stehen. Ist das der Fall, so trifft den betreuenden Elternteil schon viel früher die Pflicht zur eigenen Erwerbstätigkeit. Sicher ist der Unterhaltanspruch nur für die ersten drei Lebensjahre des Kindes.
Mindestbedarf bei der Betreuung eines nichtehelichen Kindes
Die Höhe eines solchen Unterhaltsanspruches bestimmt sich nach der Lebensstellung des Unterhaltsberechtigten bei der Geburt des Kindes. Dass heißt, der Unterhalt soll die Einkünfte ersetzen, die vor der Geburt des Kindes erzielt worden sind. Das ist einen wesentlicher Unterschied zum Unterhalt für eheliche Kinder. Denn bei diesen werden nicht nur die Einkünfte vor der Geburt betrachtet, sondern auch die Nachteile in der beruflichen Entwicklung während der Kinderbetreuung ausgeglichen. Es wird also geschätzt, wie viel der Unterhaltsberechtigte verdient hätte, hätte er seinen Beruf wegen der Kinderbetreuung nicht aufgegeben.
Unabhängig von den tatsächlichen Einkünften steht dem Unterhaltsberechtigten mindestens ein Existenzminimum in Höhe von 960 € zu. Jedoch ist der Unterhaltsanspruch auch durch die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen begrenzt. Dieser kann gegenüber dem betreuenden Elternteil auf jeden Fall 1.280 € (bei nicht erwerbstätigen 1.180 €) selbst behalten. Zudem muss ihm mindestens die Hälfte des Gesamteinkommens beider Eltern verbleiben.
Kindesunterhalt
Jedes Kind hat einen Unterhaltsanspruch gegen die Eltern. Leben diese nicht zusammen, so erfüllt der eine Elternteil den Unterhaltsanspruch durch Pflege und Erziehung, der andere Elternteil durch Zahlung des Kindesunterhaltes. Die Höhe lässt sich abhängig vom Einkommen des Unterhaltsschuldners aus der Düsseldorfer Tabelle ablesen. Gegenüber minderjährigen Kindern darf der erwerbstätige Unterhaltspflichtige nur 1.160 € selbst behalten, der nicht erwerbstätige sogar nur 960 €.
Mehr für die neue Familie – Kinder vor Expartner
Die wichtigste Änderung im Bereich des Kindesunterhaltes ist die Stärkung der minderjährigen Kinder und der ihnen gleichgestellten sogenannten privilegierten Volljährigen (Schüler bis 21 Jahre im Haushalt der Eltern) gegenüber ehemaligen Ehegatten. In der Praxis sind die sogenannten Mangelfälle die Regel, bei denen das Geld des Unterhaltsschuldners nicht für alle Unterhaltsberechtigten reicht. Dann entscheidet eine gesetzlich festgelegte Rangfolge, wer Unterhalt bekommt. Nach der neuen Rechtslage stehen Kinder nun in der Rangfolge vor Erwachsenen, also auch vor den ehemaligen Ehegatten. Hat also ein geschiedener Ehegatte mit einem neuen Partner ein Kind, so steht diesem Kind zuerst Unterhalt zu. Nur wenn dann noch genug zu verteilen ist, kommt auch der Ex-Ehepartner zum Zuge. Insgesamt wird damit nicht nur die Situation der Kinder verbessert, sondern es wird auch die Lage der Unterhaltspflichtigen verbessert. Diesen wird es nun leichter gemacht, bei Gründung einer neuen Familie diese auch versorgen zu können.
Fiktive Einkünfte
Wer gegenüber minderjährigen Kindern unterhaltspflichtig ist, unterliegt einer sog. gesteigerten Erwerbsobliegenheit. D. h., er muss alles ihm mögliche und zumutbare tun, dass er genug verdient, um den Unterhalt aufzubringen. Hier sind die Gerichte sehr streng und verlangen z. B. von einem Arbeitslosen, durch monatlich mindestens 30 Bewerbungen bundesweit nachzuweisen, dass er sich wirklich um eine Arbeitsstelle bemüht. Weist der Unterhaltspflichtige diese Erwerbsbemühungen nicht nach, so werden dem Betroffenen fiktive Einkünfte zugerechnet, d. h., er wird bei der Berechnung des Unterhalts so behandelt, als würde er das Geld verdienen, was er durch seine nicht ausreichenden Bemühungen zu verdienen unterlässt.
In dieser Frage sind die Gerichte in der Vergangenheit häufig über das Ziel hinausgeschossen und haben Menschen ohne reale Beschäftigungschance, die z. B. nur von geringen Hartz IV-Einkünften lebten, so gestellt, als hätten sie einen Job und ihnen somit den Unterhalt auf die geringen Hartz IV-Einkünfte angerechnet. Diese Praxis wurde vom Bundesverfassungsgericht (FamRZ 2010, 793) und vom Bundesgerichtshof (X ZR 182/06) eingeschränkt. Es wurde festgestellt, dass ein fiktives Einkommen nur dann angenommen werden kann, wenn das Gericht angesichts der persönlichen Erwerbsbiografie und der beruflichen Qualifikation festgestellt hat, ob der Betroffene überhaupt in der Lage wäre, ein Einkommen zu erzielen, dass über die Sicherung des eigenen Unterhalts hinaus ausreicht, um auch noch Kindesunterhalt zu leisten. Die bisher verbreitete pauschale Annahme der Gerichte, ein Unterhaltsschuldner kann bei bundesweiten Bemühungen um Arbeit als ungelernte Kraft immer ein ausreichendes Einkommen erzielen, um Kindesunterhalt zahlen zu können, erschien dem Bundesverfassungsgericht überspannt. Das bedeutet für mittellose Unterhaltspflichtige eine enorme Entlastung und Schutz vor Überschuldung. Für die andere Seite, also denjenigen, der Unterhalt von einem erwerbslosen Elternteil will, ist es anderseits in einem Gerichtsverfahren wichtig, das Vorhandensein entsprechender Arbeitsstellen darzulegen, etwa durch amtliche Auskunft des örtlichen Arbeitsamtes oder der Tarifstelle, und hierzu Beweis anzubieten.
Oft reicht aber selbst das Einkommen eines einfachen Arbeitnehmers gar nicht aus, um neben den eigenen bescheidenen Lebenshaltungskosten noch den Kindesunterhalt aufzubringen. Der Bundesgerichtshof hat sich daher auch mit der Frage auseinandergesetzt, inwieweit einem kindesunterhaltspflichtigen Arbeitnehmer zuzumuten ist, neben seiner Vollzeittätigkeit noch eine Nebentätigkeit aufzunehmen um den Kindesunterhalt zahlen zu können. Es wird auf § 9 ArbZG verwiesen, der die wöchentliche Arbeitszeit regelmäßig auf 6 x 8 = 48 Stunden begrenzt. Mehr Arbeitszeit ist auch dem Unterhaltsschuldner nicht zuzumuten. Es wird außerdem darauf hingewiesen, dass viele Arbeitsverträge Klauseln enthalten, die die Aufnahme einer Nebentätigkeit nur mit einer Genehmigung durch den Arbeitgeber gestatten. Schließlich muss auch in so einem Fall für die Nebentätigkeit eine reale Beschäftigungschance bestehen. Nur wenn nach diesen Punkten eine Nebenbeschäftigung möglich ist, können dem Unterhaltspflichtigen fiktive Einkünfte aus einer unterlassenen Nebenbeschäftigung zugerechnet werden.
Änderung des Unterhaltstitels
Wenn der Unterschied zwischen den Unterhaltsansprüchen bei neuer Rechtslage im Vergleich zum alten Recht mehr als 10 % ausmacht, besteht die Möglichkeit, den entsprechenden Unterhaltstitel ändern zu lassen. Eine Überprüfung nehmen wir gerne vor.