Auch auf das Familienrecht hat die Coronakrise und die Maßnahmen zur Beschränkung der Ausbreitung der Pandemie erhebliche Folgen. Dies vor allem in den Bereichen Umgangsrecht und Unterhalt. Die wichtigsten Punkte möchte ich kurz erläutern.
1. Hinderungsgründe für den Umgang
Umgangsregelung können entfallen, wenn zwingende Gründe entgegenstehen. Ein solcher zwingender Grund kann eine Erkrankung sein oder auch die Gefahr einer Ansteckung. Wenn der Elternteil, der den Umgang zu gewähren hat, sich darauf beruft, der andere Elternteil dies jedoch in Zweifel zieht, so kann ein der Regelung des Umgangs zugrundeliegender gerichtlicher Beschluss vollstreckt werden. Im Vollstreckungsverfahren hat das Gericht dann das tatsächliche Vorliegen der Hinderungsgründe zu prüfen. Sind die nicht gegeben oder tragen nicht, droht bei Verschulden ein Ordnungsgeld für den Elternteil, der den Umgang nicht gewährt.
Eine nachgewiesene Corona-Infektion (COVID-19) würde eigentlich allein keinen ausreichenden Grund darstellen, den Umgang auszusetzen, weil der zum Umgang berechtigte Elternteil ein krankes Kind ebenso wie der hauptsächlich betreuende Elternteil versorgen und pflegen kann. Ein Ausfall des Umgangs wäre daher nur bei einer durch ein ärztliches Attest zu belegen der Transportunfähigkeit des Kindes gerechtfertigt. Aufgrund der hohen Übertragungsrate des Virus und des Umstandes, dass es teils zu schweren Verläufen dieser nicht therapierbaren Krankheit kommen kann, besteht aber ein beträchtliches Risiko, den Umgangsberechtigten zu infizieren und einer schweren Erkrankung auszusetzen. Aus diesem Grund kann der Umgang im Fall einer Infektion ohne Verschulden ausgesetzt werden. Das gilt erst recht gegenüber umgangsberechtigten, gesundheitlich besonders gefährdeten Großeltern. Das Gleiche gilt natürlich auch, wenn der umgangsberechtigte Elternteil nachweislich infiziert ist, entsprechend.
Die Anordnung einer häuslichen Quarantäne nach Infektionsschutzgesetz gegenüber dem umgangsberechtigten Elternteil oder dem Kind führt ebenso dazu, dass für den Umgang berechtigte Hinderungsgründe gegeben sind. Sollte zukünftig eine Ausgangssperre verhängt werden, ist selbstverständlich die Durchführung von Umgangskontakten auch nicht mehr möglich und somit nicht verpflichten.
2. Ausweitung des Umgangs zur Kinderbetreuung
Durch die Schließung von Kitas und Schulen ergeben sich für viele Eltern große Probleme, die Betreuung ihrer Kinder sicherzustellen. Zumal Großeltern nicht einspringen können, da sie durch das Virus besonders gefährdet sind. Es besteht aber die Möglichkeit, dass Kinder vom anderen, umgangsberechtigten Elternteil durch eine temporäre Ausweitung des Umgangs vermehrt betreut werden. Ist dies nicht einvernehmlich möglich, so kann eine entsprechende Umgangsregelung im Wege eines gerichtlichen Eilverfahrens beantragt werden, um die Betreuung der Kinder sicherzustellen. Ein solcher Antrag kann sowohl vom betreuenden Elternteil gestellt werden, wenn dieser möchte, dass der andere Elternteil mehr Betreuungszeiten während der Krise übernimmt, als auch vom umgangsberechtigten Elternteil, der ohne Einverständnis des hauptsächlich betreuenden Elternteils die Kinder lieber selbst länger zu sich nehmen möchte, als sie einer Notbetreuung in der Kita oder den gefährdeten Großeltern zu überlassen.
3. Entscheidung über Reisen mit dem Kind
Normalerweise kann der das Kind hauptsächlich betreuende Elternteil über Urlaubsreisen im üblichen Rahmen mit dem Kind allein entscheiden, ohne den anderen Elternteil fragen zu müssen, auch wenn dieser mitsorgeberechtigt ist. Denn so ein Urlaub ist eine Alltagsangelegenheit, für die der betreuende Elternteil die Alleinentscheidungsbefugnis hat. Allerdings setzt diese Alleinentscheidungsbefugnis voraus, dass die Reise für das Kind nicht eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung ist. Über eine solche Angelegenheit haben nämlich die beide sorgeberechtigten Eltern einvernehmlich zu entscheiden. Von einer Angelegenheit mit erheblicher Bedeutung aber auszugehen, wenn die Reise mit besonderen Gefahren verbunden ist, normalerweise also vor allem bei Reisen in Kriegs- oder Krisengebiete. Aufgrund der Coronakrise besteht zurzeit eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes für alle Auslandsreisen. Dies vor allem wegen des Risikos, durch Quarantänemaßnahmen im Ausland nicht mehr zurückreisen zu können. Würde während einer Reise über ein Kind eine solche Quarantäne verhängt, dürfte dies eine erhebliche Beeinträchtigung seines Wohlbefindens seien, deshalb wird während der Zeit der Coronakrise jede Auslandsreise als Angelegenheit von erheblicher Bedeutung eingestuft. Darüber ist also von beiden sorgeberechtigten Eltern gemeinsam zu entscheiden ist. Etwas anderes gilt nur, wenn ein Elternteil das alleinige Sorgerecht hat.
4. Kind in Quarantäne
Auch die Frage, ob ein Kind ohne behördliche Anordnung zu Hause unter Quarantäne gestellt wird, ist eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung für das Kind, die von beiden sorgeberechtigten Eltern gemeinsam getroffen werden muss.
5. Unterhalt
Die mit den Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie einhergehenden wirtschaftliche Krise ist für viele kleine Unternehmen und Selbstständige eine existenzielle Bedrohung. Einkommensverluste wirken sich auch auf die Leistungsfähigkeit eines Unterhaltspflichtigen, der etwa zum Trennung-, nachehelichen oder Kindesunterhalt verpflichtet ist, aus und müssen berücksichtigt werden.
Verringert sich das Nettoeinkommen durch Kurzarbeit, so ermäßigt sich die Unterhaltspflicht entsprechend dem neuen Nettoeinkommen. Wobei staatliche Hilfen, die zum Zuschuss für das zum Kurzarbeitergeld gezahlt werden, sowie Arbeitslosengeld, voll dem Nettoeinkommen bei der Bestimmung der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen hinzuzurechnen sind. Der sonst übliche Abzug des Erwerbstätigenbonus sowie von pauschalen berufsbedingten Aufwendungen entfällt bei diesen Leistungen.
Im Falle der Arbeitslosigkeit hat sich der Unterhaltspflichtige um eine neue berufliche Tätigkeit zu bemühen, ihn trifft also weiterhin eine Erwerbsobliegenheit. Es ist allerdings zu prüfen, ob objektiv überhaupt eine Möglichkeit besteht, eine neue Beschäftigung zu finden, wenn die meisten Betriebe und Unternehmen Kurzarbeit machen. Es gibt jedoch auch Branchen, die von der Krise nicht oder kaum betroffen sind, so das dies im Einzelfall zu prüfen ist. Beim Bezug von Kurzarbeitergeld kann eine solche Erwerbsobliegenheit hingegen nicht angenommen werden, da ja weiterhin ein gesicherter Arbeitsplatz besteht, dessen Aufgabe auch den Verlust des Kündigungsschutzes bedeuten würde.
Da die Dauer der Krise und der wirtschaftlichen Auswirkungen nicht absehbar sind, fragt sich, auf welcher Grundlage ein künftiger Unterhaltsanspruch zu berechnen ist. Normalerweise wird hierzu bei Angestellten das durchschnittliche Einkommen des letzten Jahres herangezogen. Dies ist jedoch aktuell nicht sachgerecht. Vielmehr muss nunmehr ab dem Eintritt der Minderung der Einkommensverhältnisse mit dem neuen Einkommen als Grundlage gerechnet werden.
Es wird ferner auch vertreten, dass der Unterhaltspflichtige verpflichtet sein kann, zur Deckung seiner Unterhaltspflicht sein Vermögen, Rücklagen für besondere Notfälle und ähnliches einzusetzen. Teilweise wird sogar verlangt, dass der Unterhaltsschuldner verpflichtet sein soll, einen Kredit zur Deckung der Einkommenslücke aufzunehmen. Ferner ist der Unterhaltspflichtige verpflichtet, Hilfsmaßnahmen der Bundesregierung zur Deckung seiner krisenbedingten Ausfälle anzunehmen, um Unterhaltszahlungen sicherstellen zu können.
Im Hinblick darauf, dass die Gerichte wegen der gesundheitlichen Risiken zur Zeit nur unter erheblichen Einschränkungen arbeiten und mündliche Verhandlungen nicht stattfinden, wird dringend angeraten, Abänderungen des Unterhaltes im Lichte der Krise einvernehmlich vorzunehmen mit der Möglichkeit, diese Ännderungen alsbald wieder einvernehmlich rückgängig zu machen.